Palliative Atemtherapie

Dass das Herz wieder atmen kann – ein Vortrag, der 2009 im Rahmen eines Seminars zum 10jährigen Bestehen des Interdisziplinären Zentrums für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München Großhadern (IZP) von mir gehalten wurde. (Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München)
Veröffentlichung auf der Webseite der Österreichischen Pflegevernetzung: www.pflegenetz.at

Bis an die Schwelle zum Tod begleiten

Die Geschichte von Herrn A.: Begleitung des Ausatems

Herr A. ein 84jähriger gesetzter Herr, hatte Leukämie im Endstatium, wusste aber bis vor kurzem nichts von seiner Erkrankung. Er war zuhause gestürzt, in die Notaufnahme gekommen. In der Folge wurde die Diagnose nach einer Knochenmarkspunktion gestellt.
Herr A. hatte im Krieg als Soldat an der russischen Front gekämpft und sagte, er habe seitdem keine Angst mehr vor dem Tod, man könne ihm ruhig sagen, wie lange er noch zu leben hätte.
Nachdem die Ärzte ihm gesagt hatten, dass er nur noch begrenzte Zeit habe, begannen die unterdrückten Angstreaktionen: Puls und Blutdruck stiegen, er hatte das Gefühl einen Kloß im Hals zu haben, was ihm das Atmen schwer mache und ihn dauernd zum Räuspern zwinge. Außerdem erschwere ihm der Druck auf der Brust das Atmen zusätzlich. Er strengte sich sehr an, den Atem einzusaugen, was ihn wiederum weiter unter Druck und Stress brachte. Der Atem Angst Kreislauf hatte begonnen.
Ich behandelte Herrn A. einige Male mit Betonung des Ausatems. Danach fühlte er sich ruhiger. Ich bot ihm auch an, den Atem mit einem langen A aus dem Mund auszuhauchen. Das tat ihm gut. Das angestrengte tiefe Einsaugen hörte auf. Er konnte den Atem mehr kommen lassen.

An seinem letzten Nachmittag konnte ich lange bei ihm sein und ihn begleiten. Es hatte eine erneute Einblutung ins Gehirn stattgefunden, er konnte nicht mehr fixieren und nicht mehr sprechen, und war sehr unruhig. Sein Atem ging laut, schwer und tief und voller Anstrengung. Er wirkte gequält. Auf die Berührung meiner Hände – eine auf dem Bauch, eine auf der Schulter – reagierte er unmittelbar erleichtert und der Atem antwortete sofort mit einem lösenden ausatmenden Seufzen.
Ich blieb in diesem Kontak, fragte nach einer Weile sanft: “Sie erinnern sich an das lange A''” Er hatte mich verstanden, nickte und begann mit A auszuatmen. Der Atem verlangsamte sich. Ich bot ihm an, mit ihm zu atmen. Ja das wollte er und es beruhigte ihn weiter. Aus dem A wurde immer mehr ein Ja mit tiefen rhythmischen Atemzügen. Er atmete sehr laut aber ruhig und gleichmässig. Das Gequälte war nicht mehr da. Dann aber kam doch wieder Unruhe auf. Ich beugte mich weiter über ihn und schob meine Hand unter seinen Nacken. Er schmiegte sich regelrecht an, die Atemmuskulatur im Nacken entspannte.

Plötzlich – auch für mich in diesem Moment aus dem gleichmässigen Rhythmus heraus völlig unerwartet – atmete er fast mit Druck ein starkes Ja aus – und dann … Stille! Es kam kein Einatem mehr! In diesem Moment war es absolut still. Auch bei mir kam kein neuer Einatem. Bis mir dann nach einem schier unendlich erscheinenden Zeitraum neuer Lebensimpuls aus diesem Unbekannten heraus kraftvoll auftauchte und mir einen vollen tiefen Einatem schenkte, der meine Lungen füllte wie der erste Atem nach einem tiefen Tauchgang oder nach der Geburt, während Herr A. still bewegungslos in diesem anderen Raum blieb.

Palliative Atemtherapie
Begleitung über mehrere Monate

Frau E. lebte in einem Pflegeheim. Ich begleitete sie mehrere Monate regelmäßig einmal pro Woche mit palliativer Atemtherapie. Sie starb einen ruhigen, einverstandenen Tod.