Methoden der Atemtherapie

Die Methoden der Atemtherapie sind:

Es gibt Gruppen- und Einzelarbeit. Die oben genannten methodischen Übungsweisen werden bei somatischen sowie psychosomatischen Störungen und Fehlregulationen eingesetzt. Die Persönlichkeitsentwicklung wird durch verbesserte Selbstwahrnehmung gefördert. Die Selbstwahrnehmung meint die Wahrnehmung der eigenen Realität innerhalb des jeweiligen Beziehungsfeldes mit ihren körperlichen und seelischen Anteilen. Das hierbei physisch und psychisch Erlebte kann im Prozess der Atemarbeit verbalisiert und damit auch der kognitiven Erfahrung zugänglich gemacht werden. Es entstehen dabei Impulse zur bewussten körperlichen wie seelischen und sozialen Verhaltensänderung und somit die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung.

Einzelarbeit

(Text: Gabriele Erb, Dipl. Psychologin, Atempädagogin, Fachübersetzerin und Fachjournalistin in München. Erstveröffentlichung: Psychologie Heute, 11/1998)

Bei der Einzelarbeit ist das Vorgehen variabel. Meist liegt der Klient bekleidet auf einer Liege und wird aufgefordert, sich wach und bewusst seinem Atem zuzuwenden. Die Hände des Atemlehrers nehmen über den Leib Kontakt mit dem Atem des Liegenden auf, lassen sich in einem wortlosen Dialog auf dessen Selbstbewegung ein. In der Begegnung mit dem Atem in seinem Rhythmus, seiner Freiheit oder Behinderung, seinem “Gemacht”- oder “Zugelassensein”, eröffnet sich die Chance eines Zugangs zur unmittelbaren “Biografie” des Menschen. Die Hände fragen an, unterstützen, zeigen Möglichkeiten auf, bieten Widerstand oder lösen. Dies geschieht nicht mit technischen oder mechanischen Mitteln, sondern durch sensible, bewusste Hinwendung, in einer achtsamen, meditativen Haltung, möglichst unbelastet von Erwartungen und Annahmen. Insbesondere aus theorieüberfrachteten Psychotherapien kommende Klienten, die das dort mitunter noch immer übliche Etikettieren als traumatisierend erlebt haben, vor allem, wenn sie bereits als Kinder in ähnlicher Weise übergangen worden waren, sind häufig tief berührt von dieser Art des genauen Wahrgenommen-, des “Erkanntwerdens”.

Auch wenn in der Atemarbeit die Mobilisierung des Unbewussten und Konflikthaften nicht im Vordergrund steht, lösst die Lösung muskulärer, die vollendete Atembewegung behindernder Verspannungen mitunter unterdrückte Gefühle ins Bewusstsein treten (so werden etwa Bauchmuskeln angespannt und die Bewegungen des Zwerchfells eingefroren, um unerwünschte Gefühle “wegzudrücken”). Dies ist unter anderem der Grund, weshalb die Atemlehre zu den sogenannten aufdeckenden Verfahren gehürt. Auftauchende Inhalte werden wie alles in der Behandlung, am Ende jeder Sitzung besprochen. Sich ihnen atmend zuzuwenden – anstatt sie wie gewohnt zu verdrängen – kommt in manchen Fällen einer Revolution gleich. Hier wird die Erfahrung möglich, dass sich die Gefühle allein durch die Bereitschaft wandeln, sie anzunehmen und durch sie hindurchzugehen. Auch wird empfohlen, die ins Bewusstsein tretenden Inhalte auszudrücken, sei es in Poesie, in Malerei, Tanz und dergleichen. Tauchen schwerwiegende seelische Konflikte auf, sollte die Atemarbeit mit einer Psychotherapie kombiniert werden.

Gruppenarbeit

Bei der stark strukturierten, übungszentrierten Gruppenarbeit werden Atem- und Stimmübungen in den sogenannten “Vier Würden” des Menschen angeboten, mit dem Ziel einer Schulung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und einer verbesserten Körperorientierung. Im Liegen geht es um die differenzierte Erfahrung vom Atemgeschehen im passiven, zulassenden Kontakt des Körpers mit dem Boden, um das Vertrauen und das “Sich-getragen-Fühlen”. Im Sitzen, einer Position, die zwischen dem kompletten Loslassen des Liegens und dem handlungszentrierten Stehen angesiedelt ist und das in dieser Form (auf dem Hocker ohne Rückenlehne) vielen Menschen zu Beginn wegen Haltungsproblemen schwerfällt, geht es um das bewusste Aufgerichtetsein. Mit fortschreitender Übung werden Halt, Struktur und Ordnung im Innern, nämlich im Atem gefunden, Übungen im Stehen, wobei es nach Ansicht Heinrich Jacobys darum geht, einen erlebbaren an Stelle eines nur gewussten Standortes einzunehmen, ergänzen solche in der Bewegung. Hier ist nicht die äussere, sondern stets die von innen, also vom Atem her geführte Bewegung gemeint. Das eigene, innere Erleben steht bei der Gruppenarbeit im Vordergrund, auch bei Partnerübungen oder in der gemeinsamen Stimmarbeit. Dabei auftauchende Gefühle oder Empfindungen werden am Ende in der Gruppe ausgetauscht. Weil viele Menschen lebenslang angespannt sind, ohne es zu merken fühlen sie sich nach einer Atemsitzung, -massage oder -übung in ihrem Körper wohler. Mitunter entsteht sogar das Gefühl, mit dem ganzen Körper zu atmen. Die zentrale Erfahrung “ich weiss, wie ich mir selbst helfen kann”, ist hier für den, der nie gelernt hat, sich auf die eigenen Kräfte zu besinnen, manchmal der erste Schritt zur Autonomie.

Verantwortung für die eigene Gesundheit entsteht aus dem gewachsenen Zutrauen und dem Wohlgefühl, die sich bei kontinuierlicher Atemarbeit einstellen. In einer Zeit, in der chronische Alterserkrankungen durch den Anstieg der Lebenserwartung massiv zunehmen, gewinnt die prophylaktische Mobilisierung der eigenen Ressourcen, für die es nie zu früh und nie zu spät ist, grosse Bedeutung.