Mit Stresssymptomen, Burn-Out, Schlaflosigkeit, Depressionen oder Angststörungen suchen immer mehr Menschen Hilfe in den Arztpraxen – und bekommen oft Medikamente. Denn immer noch wissen zu wenig Ärzte, dass Atemtherapie bei diesen Diagnosen das Mittel der Wahl sein könnte, entweder begleitend, zum Beispiel zu einer Psychotherapie, oder auch als alleinige Therapie.
Erfolge verzeichnet die Atemtherapie auch bei Herz-Kreislauferkrankungen (die bereits Todesursache Nr. 1 in Deutschland sind), bei Rückenbeschwerden und bei Atemwegserkrankungen wie chronischer Bronchitis oder Asthma bronchiale.
Einige Kliniken für Psychosomatik haben die Atemtherapie aus gutem Grund in ihr Behandlungskonzept integriert, ebenso wie Kliniken für Herz-Kreislauferkrankungen und orthopädische Rehakliniken.
Ein wichtiger Zweig ist auch die “Palliative Atemtherapie”, die Menschen auf Palliativstationen und in Hospizen auf ihrer letzten Wegstrecke begleiten kann.
(siehe auch Palliative Atemtherapie)
Wirkungen der Atemtherapie
Bernadette H. (57), Frisörmeisterin in München, seit drei Jahren in Atemtherapie.
Auf die Frage,
Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt'
antwortet sie:
“Ruhe und Gelassenheit. Ja ich bin ruhiger geworden. Und auch von den Organen her entspannter. Vor allem im Bauchraum. Da hat sich viel verändert. Das ist weicher geworden und gelöster durch den Atem. Auch durch das Tönen, das Summen. Das ist harmonisierend und verbindend. Ich bin auch ausgeglichener geworden, freudiger, positiver. Ich kann meine Gefühle klarer fühlen, unterscheiden und auch ausdrücken; also sprachlich, ich kann sie besser formulieren. Mehr Spontaneität in der Sprache. Und was ganz toll für mich ist, weil es mein Selbstvertrauen stärkt: ich merke, dass ich viel besser für mich sorgen kann. Es gibt Situationen, da komme ich so unter Druck, dass ich schnell und kurz atme. Ich atme viel ein und wenig aus und das habe ich jetzt in den Griff bekommen. Wenn es kommen will, erinnere ich mich an meinen ruhigen Atem und dann komme ich damit zurecht. Mit meiner Atmung habe ich das hingekriegt. Es hat sich aufgelöst. Das war so ein super Erfolg und eine so tiefe Erfahrung, dass ich die Fähigkeit hab`, mir selber zu helfen. Das stärkt mein Selbstbewusstsein, dass ich gut für mich sorgen kann. Mein Atem gibt mir Selbstvertrauen.”
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Zentrale Arbeitsfelder der Atemtherapie
In diesen Aussagen einer 57jährigen Klientin, die seit drei Jahren einmal im Monat in atemtherapeutischer Behandlung ist, spiegeln sich schon einige der zentralen Arbeitsfelder der Atemtherapie:
- Förderung der Eigenverantwortlichkeit über Körperspürarbeit im Bereich der Prophylaxe/Gesundheitserziehung und persönlichen Entwicklung
- Tonusregulation, zum Beispiel bei Stress und allgemeiner Überlastung
- Verbesserung der sozialen Integration durch Erweiterung des individuellen Ausdrucks und der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten
- Kräftigung der Atemorgane und -muskulatur.
- Vorbeugende Koordinierung von Atem- und K'rperbewegung zur Vermeidung von Überanstrengung
- Steigerung der Stressbewältigungs- und Leistungsfähigkeit
- Begleitung seelischer Prozesse, die durch Atem- und Körperarbeit frei werden
- Stärkung der Ich-Kompetenz
- Linderung psychosomatischer Beschwerden
- Behandlung von Atemfehlformen und Atemstörungen
Grundsätzlich unterscheidet die Atemtherapie zwischen der Therapie der Atmung, die auch als klinische ärztliche Atemtherapie bezeichnet werden kann, und der Therapie mit dem Atem. Das ist die Atemtherapie als Selbsterfahrung und zur Selbsthilfe, die nicht bei dem Symptom ansetzt und eventuell auf der darunter liegenden Ebene die Ursache findet, so dass das Symptom überflüssig wird.
Die klinische Atemtherapie dagegen befasst sich symptombezogen mit den Krankheiten und Funktionsstörungen von Lunge und Stimmapparat. Sie arbeitet sowohl prophylaktisch, als auch nachbehandelnd. Hauptsächliche Ziele sind hier Pneumonieprophylaxe, Sekretlösung und -transport, Stabilisierung und Aufbau eines stabilen Bronchialsystems, insbesondere bei obstruktiven Erkrankungen wie Chronischer Bronchitis, Asthma etc. Diese Art der Atemtherapie soll zum Abbau von Fehlatembewegungen beitragen, zur Ventilationssteigerung, zur Kräftigung der Atemmuskulatur und eine allgemeine Leistungssteigerung bewirken.
Atem - Brücke zwischen Körper und Geist
Unter den ansonsten willentlich kaum beeinflussbaren Körpervorgängen nimmt die Atmung eine Sonderstellung ein. Einerseits läuft sie unbewusst und automatisch ab, andererseits ist sie bewusst steuerbar. Daher gilt der Atem auch als “Brücke zwischen Körper und Geist”.
Wir atmen nicht nur mit der Lunge, sondern auch mit Mund, Nase, Kehlkopf, Rachen, Brust- und Bauchmuskeln und dem Zwerchfell. Wichtigster Atemmuskel ist das Zwerchfell, das den Herz- und Lun'genraum vom Bauchraum trennt. Es zieht sich rhythmisch und im Wechselspiel mit den Bauchmuskeln zusammen und erzeugt so ein Vakuum, in das hinein die Lunge sich ausdehnen kann. Das Einatmen erfolgt als Reflex, da der im Brustkorb entstandene Unterdruck frische Luft in die Lunge zieht. Unter Stress verkrampfen sich Zwerchfell und Bauchmuskulatur. Dadurch wird der Lun'genraum verkürzt. An einer natürlichen Vollatmung hingegen sind Brust- und Bauchmuskeln beteiligt. Beim Einatmen ist dann die Ausdehnung der Bauchhöhle auch in den Lenden, Flanken und am unteren Rücken zu spüren.
Im Ruhezustand atmen wir 13 bis 15 Mal pro Minute und nehmen dabei mit jedem Atemzug etwa 500 ml Luft auf. 90 Prozent des im Stoffwechsel vorhandenen Sauerstoffs liefert die At'mung und 10 Prozent die Nahrung. Zusammen mit dem sie steuernden Nervensystem, dem Blutkreislauf, dem Herzen und den Blutgefäßen versorgt die Atmung den Körper bis in jede Zelle hinein mit Sauerstoff und entfernt das bei der Verbrennung entstandene Kohlendioxyd. Bei der Regulierung des Säure-Basen- Haushaltes ist das Atemsystem neben den Nieren von zentraler Bedeutung: Beim befreiten Durchströmen des Atems sollen 70 Prozent aller Toxine aus dem Körper ausgeschieden werden, was andere Entgiftungsorgane wie Haut, Harnwege und Dickdarm merklich entlastet.
Thomas D. (44), Krankenpfleger:
Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt'
“Darüber könnte ich ein ganzes Buch füllen. Die wesentlichen Punkte sind, dass ich durch die Erfahrungen mit dem Atem mein bisheriges Leben schätzen gelernt habe, etwas über Freude, Liebe, Dankbarkeit, Demut, Geben und Nehmen, Loslassen erfahren habe. Eine Vertiefung meines spirituellen Lebens ergab sich wie nebenbei. Ich habe begonnen, mich und die Menschen um mich herum richtig gern zu haben, und manchmal auch gerade diejenigen, die irgendwie “anderst” sind, und mich manchmal ärgern.
Die Dimensionen Raum und Zeit ver'nderten sich für mich. Dadurch weiteten sich für mich die oft beengenden Alltagsperspektiven. Meiner Zukunft gehe ich gelassener und zuversichtlicher entgegen, als ich mir es jemals vorstellen konnte.
Es gab Zeiten, in denen ich ohne weiteres aus meiner Mitte in extreme Spannungszustände herausfiel, und mich dabei sogar wohl fühlte. Mittlerweile erkenne ich relativ bald den Verlust meiner Zentriertheit und den damit verbundenen Verlust an Lebensqualität und habe über den Atem ausreichend Handwerkszeug an der Hand, um mich wieder mir selber zuzuwenden, auf dem Weg zurück zu meiner Mitte.”
Welche persönliche Geschichte verbinden Sie mit dem Atem'
“Zum Atem gefunden zu haben, ist für mich, wie einen Schatz entdeckt zu haben. Ich öffne immer wieder die Truhe, nehme einen Edelstein heraus, schau ihn an, beeindruckt durch die tiefe Schönheit und Reinheit. Immer wieder finde ich neue Kostbarkeiten, und scheinbar schon Gesehenes, Untersuchtes, Empfundenes strahlt beim Wiederbetrachten in ganz neuem Licht.
Zwischendurch begreife ich sogar, dass diese Truhe, randvoll gefüllt mit Kostbarkeiten, mein Leben ist, das ich eigentlich schon immer besaß.
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Karin G. (55), Psychotherapeutin:
Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt'
“Erstmal grundlegende, dann zunehmende und sich weiter verfeinernde Wahrnehmung meiner eigenen Gegebenheiten, Rhythmen und Räume, also die Innenwahrnehmung ist viel deutlicher geworden. Atemtherapie hat mich an das Bewusstwerden meiner Kapazitäten und meiner Grenzen geführt. Ich habe durch Atemtherapie bisher nicht gewusste, unentdeckte Ressourcen erfahren. Meine Außen- und Innenwahrnehmung und beide miteinander in ihrer Beziehung haben sich erheblich verändert und verfeinert. Ich habe mehr Mut, Neues auszuprobieren, meine Grenzen zu erweitern. Dadurch entsteht auch ein anderes Bewusstwerden meiner Selbst; auch das – manchmal humorvolle – Erkennen eigener Bewegungs- und Verhaltensmuster. Ich kann mich besser annehmen und habe im inneren Dialog mehr Akzeptanz für mich und damit eine größere innerliche Verhandlungsbreite. Große Wachsamkeit für und Freude am Erkennen der Interaktion zwischen körperlichen und seelischen Prozessen.
Die Atemtherapie hat mir meine Stimme erfahrbar gemacht. Mein Vertrauen in die Verlässlichkeit meines Körpers einerseits ist gewachsen, aber auch die Wahrnehmung körperlicher Signale anderseits hat sich verfeinert. Körperliche Signale können nun als Warnung dienen die mich reagieren und damit handlungsfähig bleiben lassen. Der Atem ist mir als eigene Ressource verfügbar geworden. Dadurch wird die Atemtherapie im Sinne von Selbsthilfe für mich einsetzbar.
Praktizieren Sie Atemübungen im Alltag'
Atemarbeit ist integraler Bestandteil meines Lebens geworden, Basis, von der aus ich alles Mögliche betrachten und ausprobieren kann. Dieser Bewusstseinsprozess ist initial durch die Atemtherapie gekommen, deshalb ordne ich ihn der Atemtherapie zu. Jetzt ist alles “Erleben in Interaktion”, wobei die Atemtherapie meine “Heimat” ist.
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